Personalmarketing

Gehaltsangaben in Stellenanzeigen – zwischen Kür und Pflicht

„You get what you pay for“ – das gilt nicht selten auch für den Arbeitsmarkt. Doch mit Ausnahme vom öffentlichen Dienst und Positionen mit Tarifverträgen, werden bisher kaum im Vorfeld Angaben zum Gehalt gemacht. Dabei ist dies eine der wichtigsten Informationen für viele, die sich nach einer neuen Stelle umschauen: Jobsuchende wünschen sich zuverlässige Angaben zu ihrem Gehalt – so früh wie möglich. Eine aktuelle Studie von Softgarden zeigt, dass rund 80 Prozent der Bewerber*innen Stellenanzeigen mit Gehaltsangaben anderen Jobofferten ohne diese Informationen vorziehen. Das deckt sich mit der Stepstone-Gehaltsbefragung 2022, aus der hervorgeht, dass 80 Prozent der Jobsuchenden sich eher auf Anzeigen mit Gehaltsangabe bewerben.

Trendwende in Sicht

Laut einer Erhebung von indeed ist der Anteil von Stellenanzeigen mit Gehaltsangabe zwischen Januar 2019 und März 2023 in den vier großen europäischen Volkswirtschaften Frankreich, Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden gestiegen. Auch wenn sich in diesem Zeitraum Jobofferten dieser Art in Frankreich und den Niederlanden nahezu verdoppelten, bleibt der Spitzenreiter Großbritannien: Hier wuchs die Zahl der Stellenanzeigen, in welchen das Gehalt genannt wurde, von 58 auf 72 Prozent. So wird dort mittlerweile in drei von vier Anzeigen das Gehalt angegeben. In Österreich ist die Nennung des Mindestgehalts in Stellenanzeigen mittlerweile sogar Pflicht, während in Deutschland die Anzahl der Stellenanzeigen mit Gehaltsangabe zwischen Januar 2019 und März 2023 hingegen von rund zwei auf lediglich 20 Prozent stieg. Deutschland bleibt somit Schlusslicht der Vergleichsländer.

Große Unterschiede gibt es im Übrigen auch in Bezug auf die Gehaltstransparenz innerhalb verschiedener Berufsgruppen. In Deutschland sind es Jobs im Chemieingenieurwesen sowie in der Produktion und Fertigung, die mit 38 Prozent in puncto Gehaltstransparenz führen. Im Gegensatz dazu enthalten nur vier Prozent der Stellenanzeigen für Arztberufe Gehälter, nur fünf Prozent im Bank- und Finanzwesen und auch bei Data Analytics und im Informationsmanagement wird mit unter sieben Prozent kaum mit dem Gehalt geworben. Insgesamt ist, trotz der teilweisen Verbesserungen in allen untersuchten Ländern und Berufen, die Gehaltstransparenz bei hoch bezahlten Stellen tendenziell geringer als bei Niedriglohnberufen.

Einerseits: Erleichterungen für Recruiter*innen und Bewerber*innen

Viele Gründe sprechen für eine Gehaltsangabe schon in den Stellenanzeigen – und zwar sowohl für die Arbeitnehmer*innen- als auch für die Arbeitgeberseite. Recruiter*innen profitieren besonders von der deutlich höheren Aufmerksamkeit, die Stellenanzeigen mit Gehaltsangabe generieren. Außerdem können sie eher davon ausgehen, dass die Interessent*innen tatsächlich gewillt sind, die Stelle anzutreten und nicht aufgrund eines zu niedrigen Einkommens kurz vor Vertragsabschluss doch davon absehen. Das vereinfacht die Gehaltsverhandlungen oder macht sie sogar unnötig, was wiederum eine Zeitersparnis für Unternehmen und Kandidat*innen bedeutet. Wird den Bewerber*innen zudem der Druck genommen, ihrerseits eine Angabe zu ihren Lohnvorstellungen zu tätigen, optimiert dies die Candidate Experience und erhöht so das Wohlwollen gegenüber dem Unternehmen.

Andererseits: Stolpersteine der Gehaltsangaben

Bislang herrscht in Deutschland oft Schweigen zum Thema Gehalt – nicht selten sogar über das erste Vorstellungsgespräch hinaus. Aus Sicht der Arbeitgeber kann es auch Nachteile mit sich bringen, früh konkret in Sachen Geld zu werden. Eine Sorge ist, dass Interessent*innen durch eine explizite Lohnangabe abgeschreckt werden könnten und sich gar nicht erst bewerben, wenn sie das Gehalt als zu niedrig oder nicht konkurrenzfähig einschätzen. Zudem haben einige Arbeitgeber Bedenken, dass sie ihren Spielraum bei Gehaltsverhandlungen bei derlei Angaben aufgeben.

Manche Unternehmen befürchten zudem Nachteile im Wettbewerb, wenn sie ihre Gehaltspolitik zu sehr nach außen tragen. Andere Arbeitgeber*innen könnten bspw. beim Gehalt nachziehen und somit vielversprechende Kandidat*innen abwerben. Ferner verhandelt bekanntlich nicht jede*r gleich gut und bringt exakt dieselbe Qualifikation mit, sodass es intern bereits Gehaltsdifferenzen geben könnte, die durch die öffentlichen Angaben zutage treten.

Allerdings greift hier seit 2018 das Entgelttransparenzgesetz, wonach Arbeitnehmer*innen mithilfe des sogenannten individuellen Auskunftsanspruchs in Betrieben und Dienststellen mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten Angabe darüber verlangen können, nach welchen Kriterien und Verfahren sie (zukünftig) bezahlt werden. Erfragen können sie zudem die Zusammensetzung des Entgelts bei als gleich oder gleichwertig benannten Tätigkeiten und auch die Höhe des für Vergleichstätigkeiten gezahlten Entgelts dürfen sie erfragen, wenn diese Tätigkeit von mindestens sechs Personen des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt wird.

Was der Gesetzgeber vorsieht

Auf europäischer Ebene geht der Gesetzgeber künftig sogar noch einen Schritt weiter: Seit 2023 gilt die neue EU-Richtlinie für mehr Lohntransparenz, die bis 2026 in nationales Recht umgesetzt werden soll. Demnach müssen Arbeitssuchende dann unter anderem über das Einstiegsgehalt oder die Entgeltspanne der ausgeschriebenen Stelle in Kenntnis gesetzt werden – entweder bereits in der Stellenausschreibung, in jedem Fall aber vor dem Vorstellungsgespräch. Gleichzeitig darf nicht mehr nach dem früheren Verdienst der Bewerber*innen gefragt werden. Zudem müssen Mitarbeitende über die durchschnittliche Entgelthöhe für gleichwertige Tätigkeiten, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, informiert werden. Zur Bestimmung der Gehälter sind objektive und geschlechtsneutrale Kriterien heranzuziehen. Ein wesentliches Ziel dieser Richtlinie ist es demzufolge, geschlechtsbezogener Diskriminierung entgegenzuwirken und stattdessen Beschäftigten zu ermöglichen, mögliche Diskriminierungen zwischen Frauen und Männern erkennen und anfechten zu können. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, verdienten Frauen auch in 2022 pro Stunde immer noch durchschnittlich 18 Prozent weniger als Männer.

Vorreiter*innen willkommen

Arbeitgeber, die sich schon jetzt an diese Bestimmungen halten und Gehaltstransparenz bereits im Vorfeld ausüben, dürften somit als deutlich attraktiver wahrgenommen werden: Bewerber*innen werden diesen Schritt begrüßen, und auch auf die Mitarbeitenden kann dies positive Auswirkungen haben, zum Beispiel, weil es das Vertrauen innerhalb des Unternehmens stärkt. Ratsam ist es sicherlich zudem, intern bereits heute ein faires und den künftigen Kriterien entsprechendes Vergütungssystem zu entwickeln. Ein faires Gehalt wird so zukünftig nicht mehr vom Geschlecht oder dem Verhandlungsgeschick Einzelner abhängen, sondern sich auf das konzentrieren, auf das es ankommt: die Kompetenz.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert