Worte haben die Kraft, Türen zu öffnen und Menschen einzuladen – sie können aber auch genau das Gegenteil bewirken. Auch in Stellenanzeigen und jeder anderen HR-Kommunikation gilt es daher, die Worte aufmerksam zu wählen, damit genau die Mitarbeitenden angesprochen werden, die für Ihr Unternehmen zur Idealbesetzung zählen.
Das heißt: Mit einer gendergerechten Kommunikation halten sie ein wichtiges Instrument für den Erfolg Ihres Unternehmens in der Hand.
In diesem Blogbeitrag wollen wir daher beleuchten, was es mit gendergerechter Sprache auf sich hat, welche typischen Fallstricke es gibt, wie sich der „Gender-Code“ lösen lässt und wie Sie konkret vorgehen können, um alle für Sie relevanten Kandidat*innen gleichermaßen anzusprechen.
Typische Fallstricke: Wenn Stellenanzeigen ungewollt ausschließen
Vielleicht denken Sie jetzt: „Wir setzen doch bereits (m/w/d) hinter unsere Stellenbezeichnungen – reicht das nicht?“ Leider nein. Eine gendergerechte Ansprache schließt zwar die korrekte Stellenbezeichnung ein, geht aber noch weit darüber hinaus. Wer sich lediglich auf (m/w/d), (m/w/i) und Ähnliches beschränkt, tappt schnell in die Genderfalle.
Hier drei der häufigsten Fallstricke:
- Direkte Diskriminierung
Diese Form ist selten geworden, aber sie existiert noch:- „Wir suchen einen Projektleiter“ (ohne m/w/d oder Ähnliches).
- „Sekretärin gesucht“ (impliziert, dass nur Frauen gesucht werden).
- „Junger, dynamischer Mitarbeiter gesucht“ (impliziert, dass nur junge Männer gesucht werden).
- Diskriminierung durch Bildsprache
Auch Bilder sprechen eine deutliche Sprache, wenn:- ausschließlich Männer in Führungspositionen abgebildet sind,
- nur Frauen in unterstützenden Rollen dargestellt werden oder
- junge Menschen für „dynamische“ Positionen und ältere für „erfahrungsbasierte“ Rollen stehen.
- Subtile Diskriminierung durch den Gender-Code
Schwieriger zu erkennen, aber ebenso problematisch ist geschlechtskodierte Sprache.
Prüfen Sie sich einfach selbst: Denken Sie bei diesen Sätzen eher an Männer, Frauen oder diverse Personen?
- „Wir suchen eine durchsetzungsstarke Führungspersönlichkeit mit Entscheidungskompetenz.“
- „Sie können richtig anpacken und überzeugen zudem mit analytischem Denkvermögen.“
- „Sie sind einfühlsam und haben ein gutes Gespür für die Bedürfnisse anderer.“
- „Sie arbeiten gerne unterstützend im Hintergrund.“
Wie es besser geht, zeigen wir gleich weiter unten. Vorab schauen wir uns aber den Gender-Code noch einmal genauer an.

Der Gender-Code: Was ist das eigentlich?
Der Gender-Code bezeichnet die subtile Verwendung von Sprache, die bestimmte Geschlechter anspricht oder ausschließt, ohne dies explizit zu benennen. Es handelt sich um sprachliche Muster, die gesellschaftlich mit bestimmten Geschlechtern assoziiert werden und dadurch unbewusst Stereotypen verstärken können.
So wirkt der Code:
- Auf der Wortebene: Bestimmte Adjektive und Substantive werden kulturell eher mit männlichen oder weiblichen Eigenschaften assoziiert.
- Auf der Satzebene: Die Art, wie Anforderungen formuliert werden, kann geschlechtsspezifische Assoziationen auslösen.
- Auf der Textebene: Die Gesamtheit der verwendeten Sprache, der Aufbau und die Schwerpunktsetzung können ein implizites Geschlecht ansprechen.
- Auf der Bildebene: Visuelle Darstellungen verstärken oder konterkarieren den sprachlichen Gender-Code.
Das Online-Stellenportal StepStone hat kürzlich 683.000 dort veröffentlichte Stellenanzeigen mit dem hauseigenen „Genderbias Decoder“ untersucht. Demnach zeichnet sich eine männlich kodierte Sprache durch Begriffe wie „analysierend“, „leistungsstark“, „leidenschaftlich“, „aktiv“ oder auch „individuell“ aus. In einer weiblich kodierten Sprache finden sich Begriffe wie „verantwortungsvoll“, „kreativ“, „engagiert“ oder auch „zuverlässig“. Grund dafür ist der sogenannte „unconscious bias“. Gemeint sind Annahmen oder Klischees über Frauen und Männer, die Menschen unbewusst verinnerlichen und die auch unsere Sprache beeinflussen. Das dazugehörige Fachgebiet nennt sich Psycholinguistik. So wird beispielsweise in dieser Disziplin an der Universität Bielefeld untersucht, wie stark Genderstereotype mit bestimmten Wörtern verbunden sind.
Und noch ein wissenschaftlicher Input: In ihrer 2024 erschienenen Studie „Gender Stereotyping in the Labor Market: A Descriptive Analysis of Almost One Million Job Ads across 710 Occupations and Occupational Positions“ untersuchten die Forschenden der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und dem Institute for Employment Research unter anderem zwei Berufsgruppen: einerseits aus dem Bereich Mathematik, Informatik, Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie Technik (MINT) und andererseits aus dem Gesundheits- und Sozialwesen. Dabei wurden die Berufe unter anderem danach unterschieden, ob es sich um einfache bzw. fachliche Positionen oder um Aufsichts- und Führungspositionen handelt. Im Ergebnis zeigte sich, dass MINT-Berufe sowie Aufsichts- und Führungspositionen eher männlich stereotypisiert sind. Die Ergebnisse wiesen zudem auf einen positiven Zusammenhang zwischen Geschlechter-Stereotypisierung und berufsbezogener Geschlechtersegregation hin. Dieser Befund deutet darauf hin, dass die Geschlechter-Stereotypisierung in Stellenanzeigen zur Unterrepräsentation von Frauen in bestimmten Berufen und Positionen beiträgt. Ein Umstand, der sich aller Wahrscheinlichkeit nach über sämtliche Geschlechter hinweg wiederfindet.
Strategien für gendergerechte Zielgruppenansprache
Gendergerechte Sprache im HR-Bereich geht also weit über einfache Kennzeichnungen wie „(m/w/d)“ hinaus und umfasst stattdessen zahlreiche Aspekte, die den gesamten Recruiting-Prozess und die Employer-Branding-Strategie beeinflussen.
Hier einige konkrete Beispiele, wie Gendergerechtigkeit zumindest in der Sprache hergestellt werden kann:
- Die Verwendung von neutralen Stellenbezeichnungen wie „Projektleitung“ anstelle von „Projektleiter“ oder „Fachkraft für Logistik“ statt „Logistiker“ trägt dazu bei, alle Geschlechter gleichermaßen anzusprechen.
- Formulierungen wie „Sie bringen Erfahrung in der Projektkoordination mit“ anstelle von „Sie sind der geborene Organisator“ betonen Fähigkeiten statt stereotype Eigenschaften.
- Partizipformen wie „Mitarbeitende“, „Studierende“ oder „Teilnehmende“ sowie die direkte Ansprache („Ihre Aufgaben umfassen …“) vermeiden geschlechtsspezifische Konnotationen und fördern eine inklusive Kommunikation.
- Eine ausgewogene Darstellung aller Geschlechter, etwa durch Bilder diverser Teams in verschiedenen Positionen, und die Vermeidung von Klischees fördern die Wahrnehmung von Vielfalt.
- Auch die Verwendung von nicht geschlechtsspezifisch konnotierten Farben unterstreicht die Inklusivität.
- Zudem tragen Angebote wie flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice-Möglichkeiten und Kinderbetreuungsangebote zu einer glaubwürdigen Gendergerechtigkeit bei.
Besondere Herausforderungen und Lösungsansätze
Das bisher Gesagte soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Umsetzung gendergerechter Ansprachen auch einige Hürden gegenüberstehen. Angefangen bei der Akzeptanz des „Genderns“ ganz generell. So zeigt eine Untersuchung des Leibniz-Instituts zur Wahrnehmung der Veränderung von Sprache aus dem Jahr 2023, dass sich die meisten sehr negativen Wahrnehmungen in der Kategorie „Gendern“ finden. Nicht unwahrscheinlich ist daher, dass auch in Unternehmen nicht unbedingt alle Mitarbeitenden gendergerechter Sprache offen gegenüberstehen. Hier können beispielsweise Sensibilisierungsworkshops helfen, die auch den wirtschaftlichen Nutzen von Diversity hervorheben.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass Menschen mit Sehbehinderungen oft Schwierigkeiten mit Sonderzeichen wie Gendersternchen haben, da Screenreader diese nicht immer korrekt erfassen. Hier helfen geschlechtsneutrale Formulierungen und die direkte Zusammenarbeit mit Expert*innen, um gemeinsam optimale Lösungen zu entwickeln.
Zu nennen ist auch der internationale Kontext, in dem sich die HR-Kommunikation möglicherweise bewegt, und der unterschiedliche sprachliche Gegebenheiten mit sich bringt. Auch hier ist es notwendig, Expert*innen auf lokaler Ebene einzubeziehen, um kulturelle und landestypische Besonderheiten berücksichtigen zu können.
Fazit
Gendergerechte Ansprache ist weit mehr als ein politisches Statement oder ein Zugeständnis an den Zeitgeist. Sie ist ein wichtiges Instrument, um Zugang zu Ihrem größtmöglichen Talentpool zu erhalten, Ihre Arbeitgebermarke zu stärken und bessere Unternehmensergebnisse zu erzielen.
Die gute Nachricht lautet: Gendergerechte Ansprache ist erlern- und umsetzbar. Mit den richtigen Strategien, etwas Übung und einem offenen Mindset kann jedes Unternehmen die eigene Kommunikation inklusiver gestalten – und davon in vielerlei Hinsicht profitieren.
Gern unterstützen wir auch Sie auf Ihrem Weg in eine gendergerechte HR-Kommunikation!